Wiener Neustadt: Konzertreihe im Zentralkino geht in die nächste Runde
Es gibt Tage – und manchmal auch Nächte – da glaubt man fast, die österreichische Musikszene habe sich klammheimlich in eine internationale Liga geschmuggelt. Nicht mit lautem Tamtam, sondern mit leiser Konsequenz, einer gehörigen Portion Haltung und dem unbedingten Willen, etwas zu sagen. Nicht irgendwas – sondern etwas, das bleibt. So beschreibt Andreas Silldorff vom Verein Tonspuren die kommenden Konzerte.
Mary Broadcast, 27. Juni 2025
Beginnen wir bei Mary Broadcast, (27. 06. 19:00h) einer Künstlerin, deren Name nach internationalem Indie-Pop klingt, aber bei näherem Hinhören eine zutiefst persönliche Handschrift trägt. Ihre Musik – eine Mischung aus Pop, Rock und elektronischer Eleganz – ist wie eine gut gemixte Melange: kräftig, mitunter bitter, aber immer mit Seele. Da wird nicht nur über die Liebe gesungen, sondern über das, was danach kommt. Selbstfindung, gesellschaftliche Reibungsflächen – Themen, die heutzutage gern als „too much“ gelten, wenn sie zu ehrlich daherkommen. Mary Broadcast tut es trotzdem. Und das mit einer Bühnenpräsenz, bei der man fast vergisst, dass man in einem kleinen Club steht und nicht auf einem Open-Air-Festival in Manchester.
Son of the Velvet Rat, 27. Juni 2025
Und dann ist da Son of the Velvet Rat (27. 06. 21:00h) – ein Name wie aus einem Noir-Roman, eine Musik wie der Soundtrack zu ebendiesem. Georg Altziebler singt, als hätte Leonard Cohen seine Stimme im Wüstensand Kaliforniens vergessen. Die Band, irgendwo zwischen Americana-Melancholie und düsterem Folk verortet, ist so gar nicht „österreichisch“ im herkömmlichen Sinn – und doch verkörpert sie eine Form von Heimat: die innere. Wer „Dorado“ hört, weiß, dass hier nicht auf den schnellen Effekt gesetzt wird. Hier geht es um Atmosphäre, um Geschichten, um Einsamkeit, die nicht traurig macht, sondern seltsam tröstlich wirkt.
Christoph Jarmer, 28. juni 2025
Christoph Jarmer spielt Hofer (28. 06. 19:00h) – Dialektmusik zwischen Schmäh und Tiefgang. Man kann nicht ewig nur „Hulapalu“ sagen, wenn’s um Dialektmusik geht. Irgendwann braucht’s Substanz. Die liefern Christoph Jarmer und Thomas Hofer – ein Duo, das Dialekt nicht folkloristisch verklärt, sondern poetisch auflädt. Hofer schreibt, Jarmer singt. („Drei Schwestern“), mal kraftvoll und direkt („Dir wiari gebm“). Alles mit spürbarem Bezug zu burgenländischen Lebensrealitäten – selbst Hunnenkönig Attila kriegt seinen Auftritt. Jarmer, ehemals bei Garish, hat seine musikalische Heimat gefunden. Und Hofer, der mit „Shit, Oida!“ und „Fuck, Oida!“ den burgenländischen Buchpreis abräumte, beweist, dass Dialekt literarisch sein kann – und tiefgründig.
Sabine Stieger und Günter Mokesch, 28. juni 2025
Und schließlich Sabine Stieger und Günter Mokesch (28. 06. 21:00h) mit ihrem Programm Salonfähig – ein Titel, der fast ein wenig ironisch klingt in Zeiten, in denen musikalische Manieren selten geworden sind. Was die beiden auf die Bühne bringen, ist eine charmante Verneigung vor dem Chanson, ohne in Staub zu verfallen. Mokesch, der Mann hinter Send Me Roses, bringt die Lässigkeit des Pop mit, Stieger die Grandezza des internationalen Parketts. Ein Abend, der so klingt, als hätten sich Melancholie und Lebensfreude zum Heurigen verabredet.
Was all diese Acts eint? Sie machen Musik, die mehr ist als bloße Unterhaltung. Musik, die sich nicht an Trends anbiedert, sondern Haltung zeigt. Und vielleicht ist das das Erstaunlichste an der heimischen Musikszene: Dass sie sich nicht mehr fragt, ob sie international genug klingt. Sondern einfach sie selbst ist.
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